V. Eidzwang und Gewalt gegen das Volk
Custine versprach nach der Eroberung Ende Oktober 1792 den Mainzern freie Entscheidung über ihre Zukunft, er werde jeden Willen akzeptieren, auch die Wiedereinsetzung des Kurfürsten. (46. S.26). Kurz zuvor hatte er die besetzten Gebiete Paris angedient.
Der vom Handelsstand darauf hin eingereichte Verfassungsvorschlag wurde sofort zurückgewiesen.
Der General war auf Weisung des Pariser Nationalkonvents unterwegs. Der allein hatte über die Zukunft des Kurstaates zu entscheiden, weder das Militär noch die Bevölkerung. Custines zuständigkeitswidrige Bemerkungen zu einer Selbstbestimmung waren Lippenbekenntnisse, taktische Finten, sollten beruhigen. Wenn er - (46. S.26) wie getan - auf der einen Seite die besetzten Gebiete Paris anbietet, kann er nicht im gleichen Atemzug der eroberten Bevölkerung ernsthaft Selbstbestimmung in Aussicht stellen! Die angeblich eingeräumte Selbstbestimmung war denn auch für die Bürger erkennbar Makulatur, die Täuschung offensichtlich.
Es ist kaum anzunehmen, dass die Franzosen bei einem für sie negativ zu erwartendem Votum à la Custine Mainz geräumt hätten und brav nach Landau zurückgekehrt wären. Das hätte ihm die Guillotine wesentlich früher und nicht erst im August 1793 beschert. Das wusste der General nur zu gut.
In Mainz und seinen Umlanden gab es keine revolutionäre Situation, dafür Ausbeutung in völligem Widerspruch zu der florierenden Propaganda. Ausbeutung bis hin zum offenen Raub, ein Klima der Angst und Furcht vor Misshandlung machte sich breit. Die wahrheitswidrigen Agitationen und Bedrückungen durch Militär und Klubisten gehörten zu den verwerflichsten Zwangshandlungen.
Hansen, Bd. II. S. 68 ff und 615 , Dumont „Republik“ S. 146/241/263/267/279, 20.) v. 26.10. 1792 26.) 49.)
Die „Wahl“ zum „Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent“, zur „Republik“, war ab 24. 2. 1793 vorgesehen. Jeder Abstimmende musste zuvor einen Eid auf Freiheit und Gleichheit – quasi die französische Verfassung - abgelegt haben. Der Eid wurde der Bevölkerung insgesamt, nicht nur für die Abstimmung, abgefordert. Hiermit sollten die Bürger auf die Überführung des besetzten Gebietes nach Frankreich eingestimmt und entsprechend verpflichtet werden. Die Menschen waren in die religiöse Werteordnung eingebunden, ein Eid hatte Bedeutung und war nur bei Identifikation möglich. Bei einem Schwur ohne Überzeugung hätte es sich um einen Meineid gehandelt, um eine Todsünde, mit allen weltlichen und religiösen Sanktionen: Ein Meineidiger stand außerhalb der Gesellschaft, galt als verfemt. Auf diese Weise waren die Bürger in einer Zwangslage - auch deshalb, weil sie mit der kurfürstlichen Herrschaft sehr zufrieden waren und eine Veränderung nicht wünschten. Zwangsmaßnahmen, unannehmbare Eidforderungen und die den hehren französischen Postulaten völlig zuwiderlaufende Besatzungswirklichkeit stießen die Bürger ab. 9.) 65.) Dumont „Republik“ S. 396/397)
Das heutige Eidverständnis fasst nicht dessen seinerzeitiges Gewicht. Noch 1847 hat Jacob Grimm als einer der „Göttinger Sieben“ formuliert, dass der Eid eine sittlich/moralische Verpflichtung sei und dessen Leistung oder leichtfertige Umgang damit schwere Folgen für das Seelenheil nach sich ziehen könnte. Daraus erklären sich die Gewissensnöte der Menschen. Die Bevölkerung hat den Zwängen in Überzeugung mit Tapferkeit widerstanden. Im Februar 1793 war die überwältigende Mehrheit der Mainzer ungeschworen. 9.), 12.), 29.) 65.)
Frz. Zeugnisse berichten, dass niemand den Wunsch zeigte, frei im Sinn der Franzosen zu sein 25.) Sorel a. a. O.
Die Mainzer waren bereit, den im Laufe der Jahrhunderte entwickelten Sicherheitseid gegenüber Eroberern auch den Franzosen zu leisten: „Wir versprechen gegen die Franken nichts Feindseliges weder mit Tat noch Rat vorzunehmen und mit denselben in unserer Stadt friedfertig zu leben und uns wie zeithero immer ruhig zu betragen und halten uns dagegen bevor, gegen die Feinde Frankreichs keine Waffen ergreifen zu müssen und dass wir auch von dem fränkischen Militär nicht in unseren bürgerlichen Handlungen gestört werden“. (Dumont, „Republik“, S. 328)
Das war geregelte und übliche Verfahrensweise, von Eroberern und Eroberten akzeptiert und befolgt. Die Franzosen wollten sich nicht daran halten, vielmehr mit allen Mitteln ein Gesinnungsbekenntnis abpressen, so wie in allen Diktaturen das Einheitsbekenntnis und die Eliminierung Andersdenkender angestrebt wird. Das Gewissen sollte damit vergewaltigt werden.
Die Kapitulationsverträge, die gewöhnlichsten Menschenrechte wurden versagt, der zunächst gestattete Abzug aus der Stadt nach Belieben und mit Effekten nicht zugelassen, das Vermögen konfisziert (s. Dumont „Republik“ S. 326ff) Alle überkommenen Strukturen wurden beseitigt, Finanz- und Verwaltungshoheit genommen.
„Barbarei und Härte mit der die Franzosen die unglücklichen Mainzer behandelten lässt sich gar nicht beschreiben“ (Bockenheimer „Klubisten“ s. 205/206)
Im Kern waren die harten Maßnahmen gegen die Bürger mit dem Terror 1793/1794 vergleichbar (Dumont a. a. O S. 470ff)
Die weltanschaulich behauptete Auffassung von den Franzosen und deren Helfern als „Heilsbringer“ steht im krassen Widerspruch zu den zeitgenössischen Berichten aus der betroffenen Bevölkerung. Dort ist stets von Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung die Rede.
Die Vorgaben der Besatzer waren klar und eindeutig (s. Dekrete von 12/92):
„Diejenigen, auch Städte oder Gemeinden, die sich den Wahlen und der Freiheit und Gleichheit verweigern, werden als Feinde der Republik behandelt. Wißt, die Feindschaft einer freigewordenen Nation ist furchtbarer als die aller Despoten zusammen genommen. Durch Verweigerung der Wahlen erklärt ihr den Franken Krieg. Ihr habt keine Wahl: entweder als Feinde die Stadt zu verlassen oder nach den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit zu schwören. Wollt ihr Sklaven sein, dann sollt ihr als solche von uns behandelt werden.“ (Dekrete v. 15. und 17. 12. 92 in: 20.) v. 23.2.93) 6.), 20.) v. 29. 12. 1792 )..
Mit der sich hierauf beziehenden Proklamation der Konventskommissäre v. 21. 2. 1793 hatten „die Anhänger der Rheingrenze gesiegt, zu denen auch die französischen Kommissare zählten (s. Scheel Bd.1 S. 248). In der Sitzung des Mainzer „Konvents“ v. 22. 3. 93 wurden die drastischen Maßnahmen beraten, wie zum Eid getrieben und Weigernde bestraft werden sollen (Scheel a. a. O. S. 474ff).
Armeeeinheiten trieben mit Kanonen zum Schwören. Zwei von vielen Beispielen: Aus Finthen kamen – auf Veranlassung des mit Militär anrückenden Klubisten und als Subkommissar den Franzosen dienenden Metternich - (s. Anlage 1 Bajonette in Finthen) - die Eidverweigerer kurzerhand in das Mainzer Gefängnis, 10 wurden aus ihrer Heimat deportiert. 23 Bretzenheimer Bürger wurden als Geiseln nach Landau gebracht. Forster, ebenfalls als Subkommissar unterwegs, sorgte mit Soldaten und Kanonen dafür, dass eidverweigernde Grünstädter Bürger gefangen genommen und ausgetrieben wurden, wovon er mit Genugtuung schrieb. Wie bei Diktaturen üblich wurden Andersdenkende erfasst, selektiert, verfolgt, geplündert und aus der Heimat geworfen. Die Vermögenskonfiszierung war eindeutiger Verstoß gegen das Kapitulationsabkonmmen. 11.) 46.)
Hier ist anzufügen, dass Eid- und Wahlzwang weit über das eroberte Mainzer Gebiet auf kurpfälzische Gemeinden hinausgriff, dort aber die französische Besatzung und deren Helfer keine Rechte, geschweige Besatzungsrechte haben konnten, aber plünderten. Insofern hat sich die aktuelle Untersuchung auf das besetzte Gebiet des Mainzer Kurstaates zu beziehen.
Ungeschworene Beamte der verschiedenen Verwaltungskörper erhielten kein Gehalt mehr, durch die Ausweisungen wurden ganze Verwaltungszweige lahmgelegt (s. Munizipalsakten 1792/93 zum 23. 3. 93 und zum 6. 5.93, Stadtarchiv Mainz), Eltern weigerten sich, ihre Kinder zu geschworenen Lehrern zu schicken. Nach Ende des "Freistaates" am 30. 3. steigerten sich ab April die Ausweisungsgräuel. Erstmals ab diesem Zeitpunkt hat die Munizipalität ein Verzeichnis der Vertriebenen erhalten! (s. Munizipalitätsakten 1792/93 im Stadtarchiv Mainz)
Beschlagnahmungen, Vermögenseinzug und Verweisung aus der Stadt waren übliche Mittel zur Eiderzwingung. Aus Forsters – zustimmenden - Aufzeichnungen: „Täglich schickt man Leute, die nicht huldigen (= schwören) wollen, zu 30 und 40 über den Rhein und man wird bis zur Entvölkerung der Stadt damit fortfahren, wenn sie sich nicht raten lassen“. Das berührte ihn nicht. Die Deportationen sah er als „Reinigung der Stadt“. (Reinigung? Das entspricht dem bekannten „Vokabular eines Unmenschen“.). Insgesamt frappierende Ähnlichkeiten mit den Praktiken des NS-Regime. 6.), 11.), 22.) 45.)
Besonders ruchlos war die massenweise Deportation von Priestern und Mönchen. Die galten als Hort der Reaktion. Pfarren und Klöster verwaisten. Die Bevölkerung, in ihrem katholischen Glauben tief verwurzelt und im Rhythmus des Kirchenjahres Alltag und Feiertage gestaltend, musste nun oft genug des gewohnten und benötigten geistlichen Beistandes entbehren. Das galt nicht nur für den Empfang der Sakramente. Viele Sterbende, in ihrer Not auf die Tröstungen der Kirche hoffend, waren zu ihrer schwersten Stunde ohne priesterliche Hilfe. Glockengeläut war untersagt, Gottesdient nur restriktiv gestattet.
Die in Frankreich einschließlich Morden herrschende Religionsverfolgung führte auch im Kurstaat zur erheblichen und allgemeinen Bedrückung der gläubigen Menschen. Über Jahrhunderte entwickelte Bedürfnisse, unverzichtbar für die Menschen, wurden mit Füßen getreten, verhöhnt, das religiöse Leben stärkstens behindert. Die Zeugnisse hierzu finden sich überall. Stellvertretend die Aufzeichnungen des lutherischen Pfarrers Liebrich (s. „Rheinland und die frz. Herrschaft“ von Hashagen 1908 S. 129ff, 158 ff).
Enteignungen und Deportationen: „Äußerste Strenge gegen alle Eidverweigerer. Wer innerhalb von 3 Tagen nicht schwört, wird mit Familie deportiert. Bewegliches und unbewegliches Vermögen wird konfisziert.“ Bockenheimer, Klubisten, S. 235ff
Die Bevölkerung hatte einen differenzierten Eid auf die französische Verfassung zu leisten. Wurde der Eid verweigert, kam es zur vollständigen Enteignung aller mobilen und immobilen Werte der Betroffenen, die komplette Familie wurde unverzüglich ohne Mittel aus der Heimat, in das Elend geworfen. Nur ein – durchsuchtes – Armbündel durfte mitgeführt werden. Die Eiderzwingung wurde durchgehend betrieben.
Das beschriebene Verfahren bei Eidverweigern wurde zunächst von 50 „Subkommissaren“ in den Landgemeinden praktiziert. Von dort – ab Ende Februar zunächst die Gemeinde Nieder Olm und etwas über ein Dutzend kleiner Dörfer - sind 450 Vertriebene gemeldet 6.) 11.) 33.) 42.), von den zahlreichen weiteren Gemeinden liegen Ablehnungen trotz Militäreinsatz, aber keine Vertreibungsdaten vor. Im Gebiet des späteren Rheinhessens gab es 200 Gemeinden, die von den Hilfskommissaren zu "besuchen" waren. Hochgerechnet auf die Daten der Nieder Olmer Gemeinden mit 450 Vertreibungen kämen - nach kompletter Enteignung - 4.500 Vertreibungen in Frage.
In mehreren Gegenden kam es zu Aufständen, mit Waffengewalt niedergeschlagen. 6.) 10.), 11.) .Die Vertreibungen aus der Stadt erfolgten ab 2/93 bis Juni 1793. Eiderzwingungen oft mit Kanonen und Reiterei, Kanonen auf die Stadt als Drohung. Während der gesamten Zeit massive Pressionen, Plündereien, brachiale Gewalt. Bei den Vertreibungen spielten sich herzzerreißende Szenen ab.
Datenmäßige Erfassung bei unspezifizierten Teilnehmern zur Literatur s. Hoffmann, Dumont und Scheel ohne Angabe der Personenzahl: Allein die speziifizierten Personenzahlen betragen deutlich mehr als 7000 Köpfe, hinzuzurechnen wären noch die unspezifizierten Personen, die Landvertreibungen und Forsters Feststellungen:“Bis zur Entvölkerung der Stadt“.
Daten aus Kommentaren Hoffmann/Dumont:
18. 2. Geistliche / 24. 2 Pfarrer, Mönche/8. 3. zahlreiche Geistliche/12. 3. 33/Bretzenheim/15. 3. 12 Finther Bürger/23.3.17 Geistliche/30.3. 500/2. 4. 700 Juden mit Galgenandrohung /4. 4. 600/8. 4. 3000/21. 4. Mehrere hundert/24. 4. Geistlichkeit/26.4. viele Familien/4. 5. /7. 5. Große Exportation/ 12. 5./24. 6. 1500./
Aus Scheel nach Exportantenliste ohne Überschneidungen folgende Daten (Bei dem Gesamtbild ist die eine oder andere unklare Vertreibung zu vernachlässigen)
27. 3./28.3./29. 3. unter beträchtlichem Druck die Stadtgerichtsassessoren beeidet, ansonsten die ins Innere Frankreichs abgeführt worden wären / 9. 4. Größere Exportation/ 7. 4. 24/8. 4.104/10. 4. 10 /17. 4. 20/20.4. 23 /21. 4. 25/22. 4. 35/25. 4. 3/29. 4. 35/12. 5.
Die Anzahl der Vertriebenen ist nicht immer quantifiziert. Insgesamt umfassen die Vertreibungen - mit den zahlreichen Deportationen durch die „Subkommissare“ in den ländlichen Gebieten (unter anderem durch Forster) - deutlich mehr als 10.000 Personen innerhalb von 5 Monaten und damit ganz erhebliche verbrecherische Verletzungen der Menschenrechte. Manche Quellen sprechen von 14ooo bis 15000 Personen. Ein Wettbewerb von Zahlen verbietet sich bei diesen Mengen.
Zwischendurch immer wieder kleinere Exportationen. Viele schwörten unter den angedrohten Pressionen.
Selbstverständlich kann das keine erschöpfende Aufzählung sein. Aber es kommt ja auf die ermittelbaren Daten an, und die reichen zur Qualifizierung mehr als aus.
Die Mainzer Exegeten halten entgegen der Schrecklichkeiten an "demokratischen Anfängen" fest, wissen aber wohl selbst nicht wie und wo diese Ausplünderung mit nachfolgender Vertreibung unterzubringen wäre. Triumph der Wissenschaft: Watzlawick mit seinen Schlußfolgerungen ist in der Realität eindrucksvoll bestätigt:
„Wenn wir nach langem Suchen und peinlicher Ungewissheit uns endlich einen bestimmten Sachverhalt erklären zu können glauben, kann unser darin investierter emotionaler Einsatz so groß sein, dass wir es vorziehen, unleugbare Tatsachen, die unserer Erklärung widersprechen für unwahr oder unwirklich zu erklären, statt unsere Erklärung diesen Tatsachen anzupassen“
(Watzlawick 1990: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen“. Piper Verlag, 18. Auflage S. 66ff.)
Vertreibungen sind völkerrechtswidrig. Sie wurden bereits im Naturrecht des 18. Jh. geächtet. Sie können in der festgestellten Form v. 1793 nur als vwärean eine Politik der ernsthaften und systematischen Diskriminierung gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anknüpfen. Zu diesen Verbrechen zählen Vertreibungen (s. röm. Statut des internationalen Strafgerichtshofs)
Die Enteignungen, Vertreibungen und Pressionen sind vieltausendfach dem für die Umbenennung gewünschten „Platz der Mainzer Republik“ und dem diesen zugrundeliegenden Verbrechen zuzurechnen. Der Namengeber hat für die verbrecherischen Aktivitäten zu stehen, So wie sich der Sachverhalt darstellt, würde nach dem Völkerstrafgesetzbuch gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 folgender Tatbestand als Verbrechen zu sanktionieren sein:
„Wer einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt“.
Die aufgezeigten Vertreibungen, in der Regel unter grausamsten Umständen und auch differenziert kenntlich, lassen eine eindeutig Beurteilung zu. Die Vielzahl der Vertreibungsdaten und Potenzen der Vertriebenen schließen den geringsten Gedanken an „vordemokratische Abläufe“ aus.
Nach dem Völkerrecht und Feststellung verbrecherischer Aktivitäten liegen die Voraussetzungen einer Sanktionierung zwingend vor. Der Platz einer Mainzer Republik ist aufzuheben. An dessen Stelle könnte ein „Platz der Mainzer Bürger“ eingerichtet werden – für deren Leiden ein geringes Äquivalent.
Quelle: „Darstellung der Mainzer Revolution“ von A. Hoffmann S. 765.
Die „Konventsdekrete“
Nach der für die Franzosen vernichtenden "Wahl" (s. dort) wurde ungeachtet des Ergebnisses ein „Konvent“ als "Volksvertretung" errichtet.
Höhepunkt der Gewalt gegen das Volk waren die Beschlüsse des „Konvents“ vom 25. - 29. 3.93. Diese „Volksvertretung“, in der die bereits bekannten Klubisten wie Metternich, Wedekind und Hofmann den Ton angaben, beschloss ausdifferenzierte und zynische Maßnahmen, um Andersdenkende und deren Familienmitglieder aus der Heimat zu werfen und dem Elend preiszugeben, die Bevölkerung gefügig zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war abzusehen, dass der Konvent nur noch wenige Tage bestehen und nach der zu erwartenden Einverleibung Frankreich auch offiziell das Sagen haben würde. Die Konventsmitglieder haben auch hier ihre Stellung missbraucht und geflissentlich das Feld für die weitere französische Herrschaft bereitet, in entsprechenden Ausschüssen mit Massendeportationen weiter betrieben, sorgten insofern für Kontinuität: Die „Konventsdekrete“ wurden über die Einverleibung hinaus weiter angewendet. 9.) 65.)
„Äußerste Strenge gegen alle Eidverweigerer. Wer innerhalb von 3 Tagen nicht schwört, wird mit Familie deportiert. Bewegliches und unbewegliches Vermögen wird konfisziert.“ Bockenheimer, Klubisten, S. 235ff
„Dekrete“ mit bis zu mehr als ein Dutzend umfassenden Artikeln
Dekret v. 27.3.93 in 20.)
Noch Ende März wurden an die tausend Einwohner deportiert.
Unter Androhung des Galgens wurden einem „Konventbefehl“ folgend die Juden – 200 Familien - aus Mainz geworfen - an ihrem höchsten Fest. Sie wollten nicht schwören. Ihren Glaubensbrüdern in Worms ging es unter ärgsten Beschimpfungen und Misshandlungen nicht anders.
Die 200 jüdische Familien dürften etwa 700 Personen umfasst haben. 7.), 8.), 26.), 28.), 49.) v. 6. 3. 93, 56.) Ein Jude wurde im Holzturm inhaftiert und zum Tod verurteilt (Scheel Bd. 2 S. 576)
Am 8.4.1793 - also nach Einverleibung zu Frankreich in Ausführung der weiter geltenden „Konventsbeschlüsse“ - wurden nach den genannten weitere, etwa 3000 mit dem Eid säumigen Mainzer zur Austreibung unter Zurücklassung ihrer Habe bestimmt, nur unmittelbar notwendiges Handgepäck erlaubt... Das war keine „Nachhilfe“ oder „gelegentlicher Druck“, sondern skrupellose, gezielte Gewaltmaßnahmen, um Personen mit eigener Meinung und ohne die gewünschte Gesinnung zu vertreiben, sich dabei noch zu bereichern. Angesehene Bürger wurden als Geiseln in das Innere Frankreichs deportiert. Die Geiseln wurden erst im Oktober 1794 freigelassen 6.) 65.)
Mit zunehmender Dauer der Belagerung wurden neben Eidverweigerern auch Greise, Kranke, Frauen und Kinder deportiert. Für die Militärverwaltung nützliche Personen blieben auch ohne Eid. 40.)
Weil es sich bei den Ausgewiesenen weder um Kombattanten noch um zu dieser Strafe rechtskräftig verurteilte handelte, war diese Verfahrensweise nicht nur willkürlich und menschenverachtend, sondern gegen geltendes Recht und grob völkerrechtswidrig. Die gnadenlose Verfolgung Ungeschworener zeigt das Bestreben der Machthaber nach absoluter Homogenität im Politischen („Gleichschaltung“) und Ausschaltung aller Andersdenkenden. Das passende Adjektiv: faschistisch.
Der große Faschismusforscher Paxton hat in seinem Buch „Anatomie des Faschismus“ das Programm solcher Machtausübung beschrieben. Dieser Faschismus ist hier zu konstatieren, wobei sich von dem üblichen Schubladendenken (links/rechts) zu verabschieden ist. Nicht die Ideologie ist entscheidend, sondern die Ausformung und Durchsetzung der Macht. (Robert O. Paxton, Emeritus der Columbia University und renommierter Vichy-Forscher, DVA, Übers. 2006).
Letztlich war auch die DDR ein faschistischer Staat. Der dort wie eine Monstranz vorangetragene Antifaschismus verhinderte die Selbstreflektion und war ausschließlich auf das gesellschaftliche Feindbild bezogen. Das beginnt mit der als „Aktion Ungeziefer“ bezeichneten Vertreibung und Auflösung grenznaher Dörfer, Panzereinsatz gegen eigene Bürger bis zur Todesgrenze und Schießbefehl, vor allem aber dem über das ganze Land geworfenen Spitzelnetz zum Aufspüren Andersdenkender und Gleichschaltung - mit Parallelen.
Offensichtlich waren Custine und Klubisten verstimmt, weil die Bürger nicht einfach akklamierten, sich den mit Waffengewalt in ihre Stadt getragenen Vorstellungen widersetzten. Das Volk wollte partout nicht gehorchen, sperrte sich. Lieber ließen sie sich zu Tausenden ausweisen als dem Zwang zu fügen. Den im Gegensatz zu den Klubisten bodenständigen und nicht nur familiär verwurzelten eingeborenen Bürgern war die Option für Frankreich widrig. Von einer sympathischen Hinneigung der Menschen zum „Frankenland“ konnte vor der Eroberung und erst recht nicht während der Besatzung die Rede sein. 6.), 8.), 26.), 53.)
Freiheit lässt sich nicht verordnen, kann auch nicht mit Zwang und Vorgaben übergestülpt werden. Sie muss gewollt und nach den Bedürfnissen der Menschen ausgestaltet sein. Was die Franzosen als ihrem eigenen Vorteil dienliche Freiheit für die Bevölkerung ansahen, hat dieser offensichtlich missfallen. Die Menschen haben keine Veranlassung gesehen, aus ihrer bisherigen Situation „befreit“ zu werden. 79.)
Despotie der oder zur Freiheit? Auf alle Fälle ein Widerspruch. Freiheit gab es nicht, „despotisch befohlene oder befehlende Freiheit“ kann es nicht geben, weil eben die Freiheit ihre gewaltsame Anwendung nicht zulässt. 29,)
Mit allen Mitteln und Gewalt sollte den Menschen die Meinung der Machthaber aufgezwungen werden, unter Verletzung jeden Rechts und der selbst postulierten Grundsätze zu Freiheit und Selbstbestimmung. Zumindest sollte das Volk willfährig den Anordnungen folgen. Demokratische Anfänge? Ganz im Gegenteil. Hier wird weitgehende Unkenntnis und/oder zynisches Demokratieverständnis offenbar. Vielmehr Diktatur des Militärs bzw. der Kommissäre. Menschenwürde? Spielte keine Rolle, die Verachtung des Volkes durch Wort und Tat war offensichtlich! Alle Strukturen maskierten lediglich die Interessen der Besatzer. 10.), 26.), 29.)
„Die Barbarei und Härte mit der die Franzosen die unglücklichen Mainzer behandeln lässt sich gar nicht beschreiben „(Brief Sömmerings an Heyne, Forsters Schwiegervater v. 5. 3. 93 in Bockenheimer „Klubisten“)
Mit welchem Nachdruck der „Konvent“ in den letzten Tagen die Vertreibung der Bürger forcierte, zeigen die in der „Zusammenfassung“ aufgelisteten Dekrete und Beschlüsse. Diese skrupellosen Verfahrensweisen entlarven die wahren Absichten. Die von Paris gekommenen Kommissare sollten den Einverleibunsprozess, Gleichförmigkeit in der politischen Anschauung und damit Interessen der Besatzer forcieren, gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen. Hierzu hatten sie alle Vollmachten, auch gegenüber dem Militär.
(s. Abschnitt „Zusammenfassung Diktatur und Tyrannei“)
Von Oktober 1792 bis Juli 1793 verminderte sich die Einwohnerzahl mehr als drastisch: Flucht und Vertreibung. 4.)
Nach den Belegen ist Diktatur und Machtmissbrauch der Besatzer und ihrer Helfer offensichtlich. (s. Nachweise in „Zusammenfassung“)
Krieg den Palästen - und auch den Hütten:
Zuletzt erfassten Enteignung und Vertreibung entgegen der üblichen Propaganda auch den 3. Stand, dessen sich die Revolution angeblich ja immer annehmen wollte. Die einfachen Bürger wie Hilfskräfte, Botengänger usw. wurden rigoros deportiert, sofern sie den Eid verweigerten (s. hierzu die Beschlüsse im Abschnitt „Diktatur und Tyrannei“ S. 68ff)). In der französischen Schreckensherrschaft ab Sommer 1793 war der größte Anteil - rund drei Viertel - der Hingerichteten aus der ärmsten Bevölkerungsklasse („Von der frz. Revolution bis zum Nationalsozialismus“ in Buchners Kolleg zur Geschichte im gleichnamigen Verlag v. 1992).
Sofern der geforderte Eid geleistet wurde geschah dies nur unter alleräußersten Zwang.
Wer anderen wirklich Freiheit bringen will, muss hinnehmen, dass die sich ihre eigene Freiheit gestalten. Mitgebrachte eigene und eigennützige Vorstellungen unter Ausnutzung der Militärmacht mit psychischer und physischer Gewalt durchzusetzen ist verbrecherisch - da mag das begleitende Wortgeklingel noch so wohllautend sein. Wie immer: Allein die Wirklichkeit zählt.
Die Menschen fühlten sich frei und sahen ihre Freiheit von den Franzosen genommen (Dumont a. a. O. S. 376/377).
„Wir haben einen rechtschaffenen Herrn, wir leben glücklich und zufrieden unter ihm, wir brauchen eure Freiheit nicht“. Dürkheimer Handwerksfrau, eine Stimme von vielen (s. Dumont a. a. O. S. 373ff)
Zur Terminologie: Wenn sowohl im Zusammenhang mit der Besetzung als auch in der heutigen Rezeption von Befreiung die Rede ist, deckt sich dieser Begriff nicht mit den Fakten. Die Wertigkeit orientiert sich allein an den Betroffenen. Wenn diese sich frei fühlen, kann es nicht Sache eines Dritten sein, den eigenen Freiheitsbegriff an deren Stelle zu setzen. Insofern ist offensichtlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine „Befreiung“ durch die Franzosen sah, sich aber wohl die Befreiung von diesen wünschte.
Die fälschlicherweise so genannten „Dekrete“ vom 25.-29.3.93 hat der „Konvent als Volksvertretung“ erlassen. Somit sind sie diesem Konstrukt zuzurechnen und disqualifizieren eindeutig.
Mangels Staatlichkeit und Souveränität, somit fehlender Gesetzgebungsbefugnis, kann von Dekreten im Sinne von Rechtsetzung nicht gesprochen werden. Republik und Dekrete gab es nur der Bezeichnung nach, inhaltlich mangelte es an allen Voraussetzungen (s. Abschnitt Republik).
Die Widersprüche zwischen den proklamierten Segnungen und den unmittelbar erlebten Zwängen, Unterdrückungen mit Deportationen sowie die Zustände im Nachbarland mit Septembermassakern, später im Terror mit Fallbeilakkord bis zum Völkermord in der Vendee bestätigt, stießen die Menschen ab. Ohne die deutsche Wiedereroberung wären die rheinischen Lande in den Sog des blutigen französischen „Terreurs“ gekommen, die Vertreibungen durch die Guillotine abgelöst worden.
Wie hieß es in der Bevölkerung? „Liberté, Egalité, Fraternité, Brutalité...“
Besatzung und Klubisten („Lumpenklub“ genannt) mit ihren Vorstellungen wurden abgelehnt. Die Menschen wünschten ihre Überzeugungen und Lebensumstände wie vor der Eroberung, nahmen andernfalls Repressionen bis zur Deportation in Kauf. 17.), 22.) 46.)
Die Bürger zwischen Landau und Bingen:. „Noch nie ist es uns so schlecht gegangen wie jetzt.“ 46.)
Die errichteten Galgen („Custines Freiheitsbäume“) fanden sich Nacht für Nacht mit toten Katzen und aufgesetzten roten Mützen sowie Schmähtexten behängt, so daß Wachen notwendig waren. Freiheitsbäume wurden besudelt und abgeknickt, mussten nachts beleuchtet und geschützt werden. Von Paris wurde „zur Heilung mit der Pike“ gedroht. 11.)
Die mit den Dezemberdekreten einsetzenden Maßnahmen und Gewalt waren - von der Gesinnung - vergleichbar mit dem Terreur Robespierres, hätten nur noch der Guillotine bedurft.
6.), 7.) 9. S. 450/470ff), 11.), 17.), 49.) v. 22. 2.93
Wer die Deportierten als unvermeidliche Opfer politischer Veränderungen sehen will, möge sich den jeweiligen, in den Dekreten genannten Personenkreis anschauen. Allen gemeinsam ist die Eidverweigerung, allein schon durch religiöse Überzeugungen zu erklären. Inwiefern Lakaien, Jäger, Boten und sonstige „einfachen Leute“ mit dem „Makel“ eines ehemaligen Dienstverhältnisses bei Adligen oder Kirche hätten gefährlich sein oder werden können, erschließt sich nicht. Das gilt auch für die Juden. Hier zeigt sich der gegen die Menschen gerichtete totalitäre Grundzug der „Mainzer Republik“.
In seinem Revolutionsalmanach von 1793 hat H. A. O. Reichardt aus Kenntnis der Zeit die elenden und herzergreifenden Schicksale beschrieben, in welche die Eidverweigerer infolge der skrupellosen Vertreibungen gestoßen wurden. Zum Erbarmen! Neben einer Fülle von zeitgenössischen Schriften sind dort auch lesenswerte Charakteristika zu den Klubisten abgedruckt. (Revolutionsalmanach, Hrsg. Von Heinrich August Ottokar Reichardt, google-Books?id=fFNjAAAAcAAJ)
Diese Deportationen stehen in einer Reihe mit den Vertreibungen von 5000 Mainzern im Jahr 1923, damals von der französischen Besatzung initiiert zur „Rheinischen Republik“ - für das lang verfolgte Ziel der Rheingrenze. Da hat wohl die „Mainzer Republik“ Pate gestanden
Insofern wurde 1793 das in Diktaturen gängige grausame Modell zur Gleichschaltung und Beseitigung eigenständiger Meinungen praktiziert. Auch wenn das „übliches“ Verfahren zur Entfernung Missliebiger und Andersdenkender sein mag, bleiben es menschenverachtende Verbrechen.
Von unvermeidlichen Kollateralschäden bei Verfolgung eines überwertigen Zieles kann keine Rede sein. Hier handelte es sich um skrupellose und zynische Machtpolitik auf dem Rücken der gequälten Bürger. Die haben in ihrer ganz überwältigenden Mehrheit die Propaganda der Franzosen und Klubisten in ihrem krassen Gegensatz zur Lebenswirklichkeit durchschaut und abgelehnt.
Das linksrheinische Gebiet war allen von Paris ausgehenden politischen Veränderungen ausgesetzt. Robespierres Fallbeilorgien ab 7/93 wären bis zum Rhein übergeschwappt (s. Karikatur), hätten die Deportationen/Ausweisungen abgelöst. Die Opfer des Terreur werden auf etwa 40.000 geschätzt. Ohne Rückeroberung hätten die Mainzer ihren gerüttelten Anteil daran gehabt. Von „demokratischer Vorform“ über heftigste Pressionen zum erwartbaren Blutgerüst – Willen der Bevölkerung?
Die Konsequenz des Terrorregimes
Hier ruht ganz Frankreich - Robespierre richtet als Letzter
Dabei tritt er die französische Verfassung mit Füßen
Der bei den Pariser Kommissaren durch sein rüdes Vorgehen mit Gewalt und Verachtung gegen die Mainzer Bürger mehrfach aufgefallene Merlin von Thionville hat aufgrund seiner Erfahrungen im Mainz des Jahres 1793 klar und deutlich dem Pariser Konvent mitgeteilt, dass tatsächlich nur wenige Anhänger der „Freiheit“ in Deutschland festzustellen seien, insofern Krieg ohne Rücksichten und rein mit Gewalt durchgeführt werden müsse (Hansen a. a. O. 3. Bd. S. 9)
Die anfängliche Begeisterung einiger deutscher Intellektueller über die französische Revolution ebbte schnell und deutlich ab, als sich die Gräuel der "Freiheitsseuche" zeigten (Prof. Pelzer in universallexikon .deacademic. zu Revolution) W. v. Humboldt wandte sich ab (W.v. H. und der Staat bei Vandnhock) Schiller, Goethe, Wieland ebenso. Von einer Rezeption frz. Revolutionsideen kann keine Rede sein (Gabel "Frz. Revolution und die Oberrheinlande 1789-1798")
Auf den Punkt gebracht: Mainz war „weder Wiege deutscher Freiheit oder Demokratie“ noch ein revolutionsgeneigter Ort, auch wenn das hartnäckig wider alle Fakten behauptet wird. Vielmehr haben Franzosen und Helfer ein blühendes Gemeinwesen zerstört, ausgebeutet und die Bevölkerung geknechtet (Dumont „Republik v. 82 S. 597ff) Letztlich haben sich die Franzosen selbst denunziert. Menschenrechte ständig zu reklamieren, aber gleichzeitig mit den Füßen zu treten, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu missachten, auszubeuten, gnadenlose Vertreibung: klarer und umfassender kann sich eine Diktatur nicht darstellen.
„In der Fälschung des Volkswillens stehen die Franzosen der ersten Revolution unerreicht da, indem, wie der frz. Historiker Taine nachgewiesen hat, zu jener Zeit stets die Minderzahl die Mehrzahl beherrscht hat“ (s. Bockenheimer "Klubisten"). Der im Rheinland sich forcierende Franzosenhass nimmt vor der Folie dieser und früherer Raubzüge nicht wunder.
Anschließend die Zusammenfassung einer Ausarbeitung von Prof. Blanning, em. Cambridge, zu Pressionen und Ausbeutung der Bevölkerung durch die Franzosen ab 1792:
(Veröffentlicht in: Handbuch Deutsche Jakobiner Bd. 1, Mainz 1981 S. 87ff, dort sind auch die spezifizierten Quellen nachgewiesen)
„Die allgemeine Ablehnung der französischen Revolutionäre und ihrer Ideologie läßt sich auf mehrfache Weise zeigen. Im März 1800 schrieb der frz. Regierungskommissar der 4 neuen linksrheinischen Departments nach Paris: „Enttäuscht in ihrer Hoffnung auf einen besseren Lebensstandard, wie immer wieder versprochen, erschöpft von den zahllosen Belästigungen durch Leute, die sich Vertreter Frankreichs nennen und ihnen Ausbeutung und Elend bringen, müde von den ewigen Betrügereien, hohen Kosten und Bürokratismus,,,,,, ruiniert und verarmt durch die Plagen des Krieges, der zahlreiche ihrer Gemeinden verwüstet, niedergebrannt und entvölkert hat…“
Bei den „Wahlen“ im Februar wurden lediglich 373 Stimmen abgegeben. Zudem wurde dies durch eine massive Einschüchterungskampagne erreicht.
Hauptgrund der Ablehnung war der eklatante Gegensatz zwischen der Prosperität, welche die Rheinländer bis dahin genossen hatten und der nun durch die französischen Truppen hervorgerufenen Armut. Die französischen Armeen mußten auf Kosten der eroberten und besetzten Gebiete leben und hatte vor allem Plünderungen zur Folge. Es läßt sich unschwer vorstellen, was geschah, als die riesigen französischen Heere, die kaum je besoldet, immer knapp an Vorräten und manchmal am Verhungern waren, in eine der wohlhabendsten Regionen Europas einbrachen.
Systematischer und belastender waren die offiziellen Requisitionen nach den Anforderungen der Armee. Wie Paris wiederholt erklärte, sollte der Krieg selbsttragend und möglichst gewinnbringend sein. Durch Geiselnahmen und Zwangseinquartierung sollten die Zahlungen gefördert werden.
Die französischen Steuersätze stellten sich bedeutend höher heraus als die alten. Entgegen der allgemeinen Ansicht war die Steuerlast unter dem alten Regime verhältnismäßig leicht bzw. bedeutend niedriger gewesen. Eine andere drückende Art der Ausbeutung war die Zwangsarbeit. Während der ganzen 1790er Jahre wurde die Lokalbevölkerung gezwungen, alle möglichen Arbeiten auszuführen – z. B. Brückenbau, Befestigungsanlagen, Straßenarbeiten, Holzfällen und Anfertigung von Uniformteilen. Hierdurch wurde Bevölkerung und Wirtschaft großer Schaden verursacht.
Der soziale und wirtschaftliche Zusammenbruch des Rheinlandes während der ersten Jahrzehnte der französischen Besatzung war der Hauptgrund für den Widerstand der Bevölkerung gegen das neue Regime. Ein weiterer wichtiger Grund bestand in dessen Feindschaft gegenüber der christlichen Religion.
Die überkommenen religiösen Werte und Riten wollten die Menschen wahren. 1792, kurz vor der Invasion, wurden bei den sogenannten Septembermorden in Frankreich 3 Bischöfe und 220 Priester umgebracht – eine weitere religionsfeindliche Dimension des Schreckens, die auf den Kurstaat überzuschwappen drohte.
Es gibt genug Hinweise dafür, dass ein allgemeines deutsches Bewußtsein die Entfremdung der Rheinländer von den Franzosen förderte. „Wir hoffen, des Namens als Teutsche, als Christen und unseren Vorältern würdig zu sein und zu bleiben. Eidschwüre sind uns heilig und unverbrüchlich. Wir lebten bei unserer ehemaligen Verfassung glücklich, der bürgerlichen Freiheit im ganzen Umfang der Bedeutung uns freuten und nach bestimmten und sanften Gesetzen regiert wurden“.